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Montag, 8. November 2010
Normandie No.3
Vom Wandern
Grundsätzlich tu ich das ja gar nicht, wandern. Ich laufe lieber. Das klingt in meinen Ohren viel spontaner - Laufen (oder auf gut deutsch: gehen) verspricht die grosse Freiheit. Sich vom Wind treiben zu lassen und die Gegend entdecken, genau mein Ding. Hält mich jedoch nicht ab, mit einem Wanderbuch und einer Karte ausgerüstet loszuziehen.
Die Täler von Gonneville-le-Mallet bis nach Etretat sind einsam (einmal abgesehen von ein paar zotteligen Kühen --> siehe Dora) und herbstlich melancholisch. Wunderschön. Und ich gewaltig stolz auf meine Kartenlesekünste. Jede gewählte Abzweigung die richtige. Mein Selbstwert steigt wie ein Drachen im normannischen Wind als ich Etretat nach vier Stunden erreiche. Einen Besuch bei der lokalen Bäckerei später gesellt sich auch noch ein Zuckerflash zum Hochgefühl.
Ich beschliesse, nicht den Bus abzuwarten, sondern zum Manoir in Saint-Jouin-Bruneval, wo ich übernachte, zurückzulaufen. Dass dieser Katzensprung gute zehn Kilometer obsi und nitzi beinhaltet und es spätestens in zwei Stunden Nacht sein würde, geht mich in meinem fliegenden Zustand nichts an.
Selbstbewusst strebe ich den Phare, den Leuchtturm von Antifer, an, den man weit herum als Orientierungszeichen nutzt. Unterwegs bewundere ich die Natur, spreche mit Ziegen und pflücke wilde Birnen. Bis ich irgendwann merke, dass ich vor lauter Selbstbewusstsein wohl doch einen falschen Weg eingeschlagen habe. Jetzt stehe ich in der Pampa und habe keine Ahnung mehr, wo ich bin.
Das so romantische Lavendellicht wird immer dunkler und mit dämmert es langsam auch, dass ich noch ein rechtes Abenteuer vor mir haben würde, bis ich in meinem blauen Blumenzimmer im Manoir ankommen werde. Immer noch guten Mutes schreite ich los, quer über die Felder und laufe und laufe und laufe und es wird dunkler und Nebel zieht auf und ich laufe und laufe und komme nicht voran.
Endlich eine Strasse mit Wegweiser. Noch fünf Kilometer bis nach hause. Dunkle Strasse über verlassene Felder und durch tintenschwarze Waldabschnitte. D111. Was, wenn ein Auto anhält? Man hört ja so einiges... Ich setzte eine grimmige Miene auf, was nicht so schwierig ist und trabe weiter, getrieben im Wissen, dass ich nur dann nicht in Panik ausbrechen werde, wenn ich einfach weiterlaufe, bis ich zuhause bin. Der Weg ist endlos, bei jedem seltenen Auto zucke ich zusammen. Irgendwann eine Kreuzung und ein Fussgängerweg. Der Wegweiser Saint-Jouin-Bruneval ist ein Versprechen. Ich bin dem Ziel nahe.
Zuhause. Erschöpft. Verschwitzt. Hungrig.
Sechs Blasen und einen belehrenden Muskelkater später sinniere ich darüber nach, dass mir offensichtlich jeglicher Sinn fürs praktische Überleben abgeht. So oft fehlt mir im entscheidenden Moment die Stimme der Vernunft und ein krimineller Optimismus setzt sich bei mir durch. Oder wie sonst manövriere ich mich immer wieder in solche Abenteuer?!
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